Lesebemme

Einer gegen alle?

Gegen einen bundesweit auftretenden CSD Verein aus Sachsen-Anhalt gibt es schwere Vorwürfe. Sie reichen von Kritik am Umgang mit Geldern bis zum Vorwurf, kleine CSDs zu verdrängen.

Von Leopold Hartung

Der Wagen des CSD Sachsen-Anhalt beim CSD Halle im Jahr 2022 Foto: Dani Luiz

Eigentlich ist die Lage für queere Menschen in Sachsen-Anhalt gerade angespannt. Die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Orientierung liegt auf Rekordhoch, CSDs werden massiv angegriffen und die AfD liegt ein Jahr vor der Landtagswahl in Umfragen bei 40% – und ist damit wenige Prozent von einer Alleinregierung entfernt.

Doch die queere Szene konnte in den letzten Jahren auch Erfolge verbuchen. So ist es dem Verein „CSD Sachsen-Anhalt“ zum Beispiel gelungen, zahlreiche CSDs im Norden des Landes zu etablieren und so der Community Sichtbarkeit zu verschaffen. In insgesamt sieben Städten gibt es nun für queere Menschen und deren Verbündete die Möglichkeit, sich zu vernetzen, mehr über queere Identitäten zu erfahren und für ihre Rechte zu demonstrieren.

So auch in der Kleinstadt Köthen. Im Dezember 2023 sammelten Jan Böhmermann und Olli Schulz mit einer Spendenaktion unter anderem Geld für den ersten CSD in der Stadt, der vom CSD Sachsen-Anhalt organisiert wurde. Am Ende der Aktion freuten sich die Hosts über zwei Millionen Euro von 36.000 Fans. Etwa ein Viertel davon floss nach Köthen, der erste CSD wurde ein voller Erfolg.

Seit letztem Sommer gibt es schwere Vorwürfe gegen den Verein, der bundesweit an CSDs teilnimmt. Sie kommen aus vier Städten im Süden des Landes und richten sich vor allem gegen den Vorstand um Falko Jentsch. Es geht um Kritik am Umgang mit Geldern, eine Falschaussage in großen Medien und eine Strafanzeige nach einem Statement, dass auch Jan Böhmermann teilte. Doch der Reihe nach.

Hat der CSD Sachsen-Anhalt Gelder missbraucht?

Alles beginnt Mitte Juni mit einem Instagram-Statement aus der Kleinstadt Merseburg. Das Organisationsteam des lokalen CSD wirft dem CSD Sachsen-Anhalt unter anderem Kompetenzüberschreitungen und Vertrauensbrüche vor. Auch der Umgang mit Spenden wird angeprangert: „Wir haben aktuell keinen Einblick, wie viele Spenden in unserem Namen eingegangen sind und somit keinen Einfluss auf die Verwendung der Gelder“ heißt es im Statement.

Hintergrund ist, dass das Spendenkonto des lokalen Teams beim CSD Sachsen-Anhalt angesiedelt war. Das Konto wurde laut dem lokalen CSD im November 2024 eingerichtet, im Januar 2025 beendete er die Zusammenarbeit mit dem CSD Sachsen-Anhalt. Wo flossen die Gelder hin, nachdem die Zusammenarbeit beendet war?

Laut Vorstand Falko Jentsch wurden Spenden eines PayPal-Kontos, die nach dem Ende der Zusammenarbeit eingingen, an ein Bündnis, das dem lokalen Team nahesteht, weitergeleitet. Das Bündnis bestätigt dies. Also alles sauber gelaufen?

Was Jentsch zunächst nicht erwähnt: Es gibt ein zweites Bankkonto, das im Spendenaufruf angegeben wurde. Auf Nachfrage teilt er mit, dass dort Spenden im Wert von insgesamt 70 Euro eingegangen seien. Hinzu kommen 50 Euro auf dem PayPal-Konto, die vor dem Ende der Zusammenarbeit eingingen. Diese Spenden wurden nicht an das Bündnis weitergeleitet, wie beide Parteien bestätigen.

Dazu kommt eine Firmenspende. Auf Nachfrage gibt Jentsch an, dass die Firma auf Diskretion bestanden habe und die Information nicht für die Presse bestimmt sei. Der CSD Merseburg schreibt allerdings: „Wir wissen von einer Spende in Höhe von 750 Euro mit dem Spendenzweck ‚CSD Merseburg‘. Auch nach Rückfrage gibt die Firma an, damit den CSD in Merseburg unterstützen zu wollen, nicht den CSD LSA.“ Die Firma bestätigt dies auf Nachfrage, möchte aber unerwähnt bleiben.

Neben den insgesamt 870 Euro Spenden berichtet das lokale Team auch von Fördergeldern in Höhe von 1.000 Euro, die an den CSD Sachsen-Anhalt geflossen seien. Auch hier sei dem Team unbekannt, was mit den Geldern passierte. Die Stadt Merseburg bestätigt die Förderung.

Eine Absage, die keine war

Wie rechtfertigt Jentsch, dass insgesamt 1.870 Euro nicht an das lokale Team weitergegeben wurden? Ein Blick in die Vorgeschichte des CSD in Merseburg:

Nach dem Ende der offiziellen Zusammenarbeit sollte der CSD Sachsen-Anhalt trotzdem weiter am CSD in der Kleinstadt teilnehmen. Dazu heißt es von Jentsch: „Am Montag vor dem CSD erhielten wir jedoch eine E-Mail, in der uns überraschend mitgeteilt wurde, dass wir weder mit Fahrzeug noch mit Stand teilnehmen dürften.“ Beim Blick in die vorliegende E-Mail wird allerdings deutlich: Es wurde nur mitgeteilt, dass Programmvorschläge des CSD Sachsen-Anhalt nicht mehr berücksichtigt werden können. Eine Absage der Teilnahme stand nicht im Raum.

Wenige Tage später melden Jentsch und sein Team einen eigenen CSD an. Er soll kurz nach der eigentlichen Demonstration in unmittelbarer Nähe stattfinden. Daraufhin erklärt das lokale Team die Teilnahme des CSD Sachsen-Anhalt für hinfällig. Am Abend vor dem CSD entscheidet sich der Verein schließlich, gar nicht in Merseburg präsent zu sein.

Es drängt sich folgende Frage auf: Wenn der CSD Sachsen-Anhalt den CSD in Merseburg gar nicht organisierte, wieso behielt er dann die 1.870 Euro, die zur Organisation gedacht waren?

Auf Nachfrage begründet Jentsch dies mit entstandenen Unkosten für die letztlich abgesagte Demonstration. Zur Begleichung dieser Kosten sind laut ihm die Gelder verwendet wurden.

Damit wird deutlich: Im Fall der Fördergelder wurden 1.000 Euro, die laut Stadt zur „Durchführung eines CSDs in Merseburg“ freigegeben wurden, genutzt, obwohl gar kein CSD vom Verein durchgeführt wurde. Auch die Spendengelder in Höhe von 870 Euro wurden genutzt, obwohl kein CSD stattfand. Hinzu kommt im Fall der Spenden, dass sie explizit an das Team des CSD Merseburg und nicht an den CSD Sachsen-Anhalt adressiert waren. Außerdem übte der Verein durch den angekündigten eigenen CSD Druck aus, um eine Mitgestaltung am Programm zu erreichen. Mehr zur Situation in Merseburg hier.[1]

Aus einem weiteren Landkreis werden Vorwürfe laut

Etwa einen Monat später werden auch aus dem angrenzenden Burgenlandkreis Vorwürfe öffentlich. Der lokale CSD kritisiert in einem Statement unter anderem grenzüberschreitendes Verhalten. Weitere Vorwürfe erweisen sich teilweise als richtig, andere können nicht vollständig überprüft werden. Mehr dazu hier.

Eindeutig belegbar ist der Vorwurf, der Verein habe in der Vergangenheit für den CSD-Burgenlandkreis gesprochen und den Eindruck erweckt, er sei eine Vertretung dessen. Ein Mitschnitt der Veranstaltung zeigt, wie ein Mitglied des CSD Sachsen-Anhalt mit den Worten „Du sprichst für den CSD in Naumburg“ angekündigt wird.

Ein „Landesverband“ nutzt seine Machtposition

Man könnte dies als einmaligen und ungewollten Versprecher sehen. Doch im Statement heißt es: „Der CSD Sachsen-Anhalt steht in seiner Rolle als vermeintliche Repräsentation aller CSDs im Land in einer Machtposition, die immer wieder ausgereizt wird.“ Andere CSDs beklagen ähnliches.

Tatsächlich scheint der selbsternannte „Landesverband“ sich generell als eine Vertretung aller CSDs im Land zu sehen – was er nicht ist. So ist auf seiner Website eine Auflistung aller CSDs im Land zu finden – also auch derer, die nicht Mitglied im Bündnis des Vereins sind. Auf Anfrage verweist Jentsch darauf, dass man einen Überblick geben wolle und in Zukunft deutlicher markiere, welche CSDs Teil des ‚Landesverbandes‘ seien. Dies ist daraufhin geschehen.

Allerdings sieht sich der Verein laut Instagram-Profil trotzdem als: „Zusammenschluss der CSD organisierenden Gruppen und Vereine in Sachsen-Anhalt“. Auch der Name, „CSD Sachsen-Anhalt“, legt eine Vertretung aller CSDs nahe. Außerdem stellt der Verein auf seiner Webseite politische Forderungen im Namen aller CSDs im Land. Jentsch schreibt dazu, man organisiere acht von elf[2] CSDs im Land. Entsprechend seien politische Forderungen selbstverständlich. Dies bedeute keine Vereinnahmung, sondern eine politische Vertretung der Mitglieds-CSDs. Der Vorwurf, der Verein wirke bewusst wie eine offizielle Vertretung aller CSDs im Land und wolle damit Einfluss gewinnen, bleibt trotzdem bestehen.

Mit seinem Wagen nimmt der CSD Sachsen-Anhalt bundesweit an CSDs teil. So zum Beispiel in Berlin, Leipzig, Dresden oder Hannover. Hier der Wagen beim CSD Halle 2022. Foto: Leopold Hartung

 

Bestärkt wird dieser Vorwurf dadurch, dass Falko Jentsch in Interviews mit der dpa immer wieder als Organisator aller CSDs im Land oder als Organisator des CSD Halle auftritt – beides ist er nicht. Dies ist besonders im Fall des CSD Halle brisant. Jentsch lobt im Interview die gute Zusammenarbeit der Veranstalter*innen. Die tatsächlichen Veranstalter*innen sprechen auf Anfrage dagegen von einer „aufgezwungenen Teilnahme“ des Vereins. Mehrere Medienhäuser, darunter „Die Zeit“, der MDR und die „Süddeutsche Zeitung“, übernahmen die Darstellungen der dpa falsch. Auf Nachfrage schreibt Jentsch: „Es war nie unsere Absicht, als Organisator des CSD Halle aufzutreten. Dass die Agentur dies in ihrer Meldung so dargestellt hat, geschah ohne unsere Kenntnis und gegen unsere Intention“. Bei der dpa sieht man das anders: „Falko Jentsch hat sich unserem Redakteur gegenüber als Organisator des CSD in Halle und der CSDs in Sachsen-Anhalt ausgegeben“ heißt es auf Nachfrage.

Erpresste der Verein den CSD Halle?

Doch damit nicht genug. Der Umgang mit den Geldern, der Auftritt in großen Medien und die Nutzung der Machtposition als selbsternannter „Landesverband“ sind nur einige Kritikpunkte aus der letzten Zeit. So wirft der CSD Halle dem Verein auf Anfrage die „Verdrängung und/oder Einverleibung regionaler Strukturen“ vor. Was hat es damit auf sich?

Im August veröffentlicht auch der CSD Halle ein Statement. Es enthält den Vorwurf, der Verein habe versucht, Teile der Orga an sich zu ziehen und den CSD für sich zu reklamieren. Falko Jentsch bestreitet die Vorwürfe und verweist darauf, dass sie im Wesentlichen auf bereits behandelten Punkten aus den anderen Städten basierten. Mehr dazu hier.

Außerdem heißt es im Statement des CSD Halle: „Wir sind zu der Entscheidung gelangt, dass wir die Teilnahme vom CSD Sachsen-Anhalt am CSD Halle in diesem Jahr ablehnen.“ Damit kündigt der CSD Halle eine Art „Waffenstillstand“ mit dem Verein auf. Hintergrund ist ein seit Jahren bestehender Streit.

Laut Jentsch sah der CSD Sachsen-Anhalt die Entscheidung als Ausschluss des kompletten Vereins und seiner Mitglieder. Auf Nachfrage stellt Martin Thiele vom CSD Halle klar: „Ich habe dem Verein mitgeteilt, dass wir ihnen die Teilnahme mit einem Wagen untersagen.“

Der CSD Sachsen-Anhalt meldet daraufhin ohne Absprache einen zweiten CSD direkt hinter der eigentlichen Demonstration an. Die Begründung ist ähnlich wie in Merseburg: „Die Anmeldung war kein Angriff, sondern eine rechtliche Notwendigkeit, um unseren Mitgliedern eine Teilnahme zu ermöglichen“, schreibt Jentsch. Martin Thiele widerspricht: „Selbstverständlich haben wir dem Verein und seinen Mitgliedern nicht die Teilnahme an der Demonstration untersagt“. In einem folgenden Gespräch habe man betont, dass sie sichtbar als eine Laufgruppe teilnehmen könnten.

Am Tag des CSD in Halle ist schließlich doch ein Wagen des CSD Sachsen-Anhalt auf der Parade zu sehen. Wie kam es dazu? Laut beiden Parteien habe man sich in einem Gespräch auf die Teilnahme des Vereins mit einem Fahrzeug verständigt.

Doch die Atmosphäre des Gespräches scheint von beiden Seiten unterschiedlich aufgenommen worden zu sein. In einem Instagram-Post des CSD Sachsen-Anhalt heißt es: „Heute hatten wir ein großartiges und herzliches Kooperationsgespräch.“ Auch auf Nachfrage schreibt Jentsch von einem „konstruktiven und zielführenden Gespräch“.

Trotz der Absage des CSD Halle, nimmt der Verein letztlich mit einem Wagen teil. Foto: Leopold Hartung

Martin Thiele übt dagegen scharfe Kritik am Auftreten des CSD Sachsen-Anhalt: „Der Verein ließ sich auch in einem einstündigen Gespräch nicht davon abbringen, mit zwei (!) Wagen an unserer Demonstration teilnehmen zu wollen. Es wurde explizit formuliert, dass wir sie entweder mit Wagen teilnehmen lassen oder sie mit einer eigenen Demonstration einige Minuten hinterher ziehen. Um dies zu verhindern, sind wir schweren Herzens den Kompromiss eingegangen, den Verein erneut mit einem Wagen an unserer Demonstration teilnehmen zu lassen. Von einer Zusammenarbeit möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen, eher von einer uns aufgezwungenen Teilnahme ihrerseits und zähneknirschenden Duldung unsererseits.“

Auch hier ist das lokale Team möglicherweise vom CSD Sachsen-Anhalt massiv unter Druck gesetzt wurden, um präsent zu sein.

Eine Zubringerdemo wird zur Gefahr für ihre Teilnehmer*innen

Ein weiterer Konflikt betrifft eine von Jentsch und seinem Team angemeldete Zubringerdemo zum CSD Halle aufgrund rechter Gegenproteste.

Hierzu findet der CSD Halle deutliche Worte: „Die Anmeldung war weder mit uns noch mit dem Bündnis gegen Rechts abgesprochen. Der Verein konnte bei der Anmeldung keine Kenntnis über die Gegenproteste haben.“ Erst nach einem Hinweis hätten Absprachen stattgefunden. Jentsch weist den Vorwurf, keine Kenntnis gehabt zu haben, zurück.

Dagegen spricht, dass die Route der Zubringerdemo über die Leipziger Straße („Boulevard“) führte – und damit laut Medienberichten genau in die Arme einer rechtsextremen Versammlung gelaufen wäre. Das sich dort niemand befand, liegt wohl einzig an der geringen Teilnehmendenzahl des Gegenprotests, der schon am Bahnhof blockiert wurde. Ansonsten wären die sich sicher wähnenden Teilnehmenden der Zubringerdemo wohl einer höheren Gefahr ausgesetzt gewesen, als wenn sie einen Bogen um die Route gemacht hätten.

Will sich der Verein andere CSDs „einverleiben“?

Wenige Tage vor dem CSD in Halle taucht außerdem ein neuer Instagram-Account mit dem Namen „csd_halle“ auf. Dabei handelt es sich nicht um den seit Jahren bestehenden Account des lokalen Teams, sondern um die Präsenz des „CSD Halle e.V.“, einem bis dahin unbekannten Verein. Er steht dem CSD Sachsen-Anhalt nahe. Was war passiert?

Für Jentsch ist der Account eine berechtigte Reaktion auf das Statement des CSD Halle und den damit beendeten „Waffenstillstand“: „Daher war es für unsere Mitglieder in Halle notwendig, sich eigenständig sichtbar zu machen. Wir betonen ausdrücklich: Ziel war nie, Parallelstrukturen aufzubauen oder den CSD Halle zu übernehmen. Vielmehr ging es darum, den dortigen Mitgliedern, die sich im Orga-Team nicht willkommen fühlten, trotzdem eine Möglichkeit zur Beteiligung zu geben.“ Der CSD Halle stellt dies in Frage. Er schreibt auf Anfrage: „Immer wieder kommt es zu Verwechslungen mit den eigentlichen CSD-Strukturen in Halle. Dies ist kein Zufall, sondern wird vom CSD Sachsen-Anhalt damit bewusst herbeigeführt. Hier geht es scheinbar darum, Verwirrung zu stiften und die eigenen Interessen durchzusetzen – natürlich zum Leidwesen der regionalen Orga.“ Auf die Frage, ob er in der Namensgebung den Versuch zu provozieren oder gar eine Parallelstruktur zu errichten sieht, schreibt er: Ich kann beides nur bejahen. Hier folgt der CSD Sachsen-Anhalt seinem gängigen Playbook der Verdrängung und/oder Einverleibung regionaler Strukturen.“

Tatsächlich lässt sich in der Namensgebung des „CSD Halle e.V.“ und seiner Instagram-Präsenz eine auffällige Ähnlichkeit zum eigentlichen CSD Halle erkennen. Hinzu kommt, dass der Verein völlig aus dem Nichts auftauchte, man sich zwischendurch bewusst für eine eigene Demo entschied und möglicherweise Druck auf das lokale Team ausübte. Auch der Anspruch als „Landesverband“ alle CSDs zu vertreten, ist Teil des Gesamtbildes. Somit ist der Vorwurf, einen zweiten CSD etablieren zu wollen, zumindest nicht aus der Luft gegriffen. Blickt man in das Impressum des Vereins, liest man: „CSD Sachsen-Anhalt ist ein Projekt zur Bündelung der regionalen CSDs in Sachsen-Anhalt“. Ein Satz, der viele Interpretationen zulässt.

Vom Böhmermann-Statement zur Strafanzeige

Doch auch mit der Lokalpolitik gibt es Unstimmigkeiten. So entbrennt im Juli in Köthen ein Streit um Auflagen des Landkreises zum diesjährigen CSD. Es geht unter anderem um die Platzierung von Versorgungsständen. Der Verein fordert von der Oberbürgermeisterin, eine Sondernutzung zu genehmigen und so die Stände direkt neben dem CSD zu ermöglichen. Die OB, Christina Buchheim (Die Linke), lehnt dies ab, mit dem Verweis, dass sie keine Entscheidungen gegen die Auflagen des Kreises treffen könne. Das Verwaltungsgericht Halle kippt die Auflagen des Kreises später.

Doch der Streit mit der OB geht weiter. So werfen Jentsch und sein Team ihr in einem Statement, dass auch Jan Böhmermann teilte, eine „Blockadehaltung“ vor. Die Tatsache, dass die Auflagen vom Kreis stammen, bleiben unerwähnt. Außerdem werden mehrere Kritikpunkte aufgeführt – ohne Einordnung, an wen genau sie sich richten. Daraufhin eskaliert der Streit so weit, dass die OB erst die zukünftige Zusammenarbeit mit Jentsch und seinem Team ausschließt und schließlich Strafanzeige gegen sie erstattet. Auf Anfrage bestätigt die Stadt Berichte, wonach Jentsch und sein Team das Handeln der Stadt unter anderem als „diskriminierend, ausgrenzend und menschenverachtend“ bezeichnet hätten.

Ein gemeinsamer Wunsch

Der Umgang mit Spenden, das Auftreten als „Landesverband“ in großen Medien, der Druck auf kleine CSDs und die Strafanzeige sind nur einige der Vorwürfe, die gegen den CSD Sachsen-Anhalt im Raum stehen. Doch letztlich eint ein Anliegen alle Beteiligten: Es ist der Wunsch nach einem Ende des Konflikts und einem geschlossenen Auftreten zum Wohl der Community. Gerade in der aktuellen Situation ein Jahr vor der Landtagswahl.

Alle Parteien wünschen sich eine Community, die geschlossen für ihre Rechte eintritt. Foto: Leopold Hartung

 

 

 

Anmerkung: In diesem Text wird die Abkürzung „CSD Sachsen-Anhalt“ als Synonym für den Christopher-Street-Day Sachsen-Anhalt e. V. verwendet. Es existiert ein anderer Verein mit dem Namen „CSD Sachsen-Anhalt e. V.“, der dem CSD Halle nahesteht und nicht öffentlich auftritt.

[1] Weiterleitung zu Artikeln des Transit-Magazins, die im Laufe der nächsten Wochen hochgeladen werden.

[2] Anmerkung: Es sind tatsächlich acht von zwölf.

 

___________________

Hallo von der Freitagsbemmen-Redaktion! In unserem Online-Blog findet ihr Hintergründe zu unseren Sendungen und spannende Recherchen. Viel Spaß beim Lesen!

Freitagsbemme gibt’s auch hier:
instagram.com/coraxfreitagsbemme⁠
⁠https://linktr.ee/coraxfreitagsbemme⁠